Ebenso vielfältig sind Erscheinungsform des Schmerzes und die Therapieformen. Von chronischen Rückenschmerzen spricht man ab einem Zeitraum von drei Monaten.
Neuromodulation als letzter Ausweg
für Patienten mit chronischen Rückenschmerzen
Gelingt es auch bei optimalem Therapieansatz nicht, den Schmerz unter Kontrolle zu bringen, stellt die Neuromodulation für manche Patienten den letzten Ausweg dar. Und tatsächlich:
nicht selten gelingt es, durch Stimulation peripherer Nerven im Schmerzareal oder am Rückenmark, die Schmerzen unter Kontrolle zu bringen.
Akute Rückenschmerzen
Als akuter Rückenschmerz werden Rückenbeschwerden bezeichnet, die nicht länger als 6 Wochen andauern. Es ist die mit Abstand häufigste Form des Rückenschmerzes, den 80% der
Menschen einmal in ihrem Leben erleiden. Zugrunde liegen zumeist Funktionsstörungen der Muskulatur und Gelenke der Wirbelsäule. Auch hier ist die Bandbreite der Beeinträchtigung groß, vom
leichten ziehenden Schmerz bis zu immobilisierenden Schmerzen beim „Hexenschuß“, der mit Lähmungsgefühl, Zwangshaltung, Bewegungssperre, Hartspann, Dornfortsatzdruckschmerz etc. verbunden
sein kann.
Die Ursachen können im Bereich der Wirbelsäule selbst liegen, aber auch Symptom der ernsthaften Erkrankung eines inneren Organs sein. Nierenerkrankungen, Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und
auch Durchblutungsstörungen des Herzens (Hinterwandinfakte) können akute Rückenschmerzen hervorrufen.
Eine sofortige ärztliche Abklärung der Rückenschmerzen ist erforderlich:
Sind ernsthafte Erkrankungen ausgeschlossen, ist das Ziel der Behandlung eine möglichst rasche Mobilisierung des Patienten. Dazu ist eine ausreichende Schmerztherapie erforderlich.
Physiotherapeutische Beübung im Sinne einer Anleitung zur Eigenbeübung kann hilfreich sein. Bei den meisten Patienten klingen die Beschwerden nach wenigen Tagen erfreulicherweise „mit, ohne und
trotz Doktor ab“. Die jüngst veröffentliche Nationale Versorgungsleitlinie „Akuter unspezifischer Rückenschmerz“ gibt einen Überblick über empfohlene Diagnostik und Therapien und wird
Einfluss auf die Versorgung insbesondere von Kassenpatienten nehmen. Leider nimmt diese Leitlinie wenig Rücksicht auf Verläufe mit intensiven Schmerzen. Da weiterführende diagnostische und
therapeutische Maßnahmen erst nach einer Beschwerdedauer von 6 Wochen empfohlen werden, ist für diese Patientengruppe ein höheres Chronifizierungsrisiko zu befürchten.
Subakute Rückenschmerzen
Als subakute Rückenschmerzen werden Beschwerdeepisoden von 6 bis 12 Wochen bezeichnet. Neben der weiteren Ursachenforschung durch eine Bildgebung der betroffenen
Wirbelsäulenabschnitte sollte die Behandlung intensiviert werden. Integraler Bestandteil ist dabei die Schmerztherapie zu der neben Medikamenten auch gezielte Injektionen an bestimmte Strukturen
der Wirbelsäule (Nervenwurzel, Nervenäste und Facettengelenke) gehören. Ziel ist, den Patienten in die Lage zu versetzen, ein normales körperliches Aktivitätsniveau zu erreichen. Zeigen sich
bildgebend Veränderungen wie ein höhergradiges Wirbelgleiten muss u.U. die Notwendigkeit einer Wirbelsäulenoperation diskutiert werden. Auch physiotherapeutische Behandlungen sind umso
effektiver, je geringer das Beschwerdeniveau ausgeprägt ist. Schwierig kann die Behandlung von Rückenschmerzen zudem werden, wenn psychologische Faktoren hinzukommen. Eine Chronifizierung der
Schmerzen ist bei Vorliegen depressiver Symptome wahrscheinlicher. Dies gilt auch für psychische Belastungen anderer Art, wobei aktuelle Probleme in der Partnerschaft oder am Arbeitsplatz
bedeutsam sein können.
Der individuelle Umgang mit dem Schmerz und der resultierenden Beeinträchtigung stellen die Weichen für den Behandlungserfolg, also dafür, ob es zu einer schnellen Besserung kommt oder sich ein
langwieriger Verlauf ergibt. Patienten, die aus Angst vor zunehmenden Schmerzen jede Bewegung vermeiden und sich immer mehr aus ihrem gewohnten Alltag zurückziehen, werden eher chronische
Verläufe erleben. Die Aufklärung über derartige Mechanismen und Maßnahmen zu deren Bewältigung müssen neben Schmerztherapie und Physiotherapie Bestandteil der Behandlung sein.
Entspannungstraining oder ein Training zur Verbesserung der Schmerz- und Stressbewältigung sind in diesem Zusammenhang sinnvolle Ansätze.
Chronische Rückenschmerzen
Als chronisch werden Rückenschmerzepisoden mit einer Dauer von mehr als 3 Monaten bezeichnet. Chronisch bedeutet ab einer gewissen Beschwerdedauer fehlende Heilungschancen, d.h.
die unterschiedlichen Therapien können lediglich noch lindern und stabilisieren, die Beschwerden jedoch nicht mehr aus der Welt schaffen. Charakteristisch ist ein Dauerschmerz mit episodenhaft
auftretenden Schmerzspitzen. Die Beweglichkeit und Belastbarkeit der Betroffenen wird immer weiter eingeschränkt. Der Patient findet sich gefangen in einem Teufelskreis aus Schmerz und
eingeschränkter Beweglichkeit. Sensiblisierungsmechanismen (Schmerzgedächtnis) führen zu immer intensiveren Beschwerden und zu einer neuropathischen Schmerzkomponente, die die Behandlung
erschwert. Herkömmliche Behandlungen mit Schmerzmitteln wirken immer schlechter. Immer stärkere und nebenwirkungsträchtigere Medikamente kommen zum Einsatz. Die Patienten durchlaufen häufig über
Jahre eine Vielzahl von Behandlungen ohne dauerhaften Therapieerfolg. Nicht selten erfolgen im Laufe von Jahren mehrere Wirbelsäulenoperationen, die jedoch auch nur für eine gewisse Zeit
Linderung verschaffen. Die Frustration und Resignation nach langjährigen Verläufen ist häufig und verständlich.
Ziele der Therapie eines chronischen Rückenschmerzes sind Schmerzkontrolle, Beweglichkeit und Belastbarkeit. Der multimodale Ansatz ist der wirkungsvollste, d.h. in Abhängigkeit von individuellen
Ursachen müssen mehrere Modalitäten aus Schmerztherapie, Physio- und Psychotherapie zum Einsatz kommen. Aufgrund des chronischen nicht heilbaren Charakters ist zudem die Notwendigkeit einer
kontinuierlichen Behandlung gegeben, die jedoch allzu oft das Leistungsniveau der Krankenkassen an seine Grenzen führt (s. z.B. Richtlinien zur Heilmittelverordnung). Entscheidend für den
individuellen Verlauf ist jedoch über allem, in wie weit es dem Patienten gelingt mit seiner Erkrankung umzugehen und täglich etwas für „seinen Rücken“ zu tun.
Die Neuromodulation bietet auch nach u.U. jahrzehntelangen Verläufen mit der lumbalen
Nervenfeldstimulation (Stimulation peripherer Nerven im Schmerzareal) und der
epiduralen Rückenmarksstimulation die Aussicht auf eine deutlich verbesserte
Schmerzkontrolle. In Frage kommen Patienten mit chronischen, stabilen und lokalisierten Rückenschmerzen.